Das berühmteste Weihnachtslied
In der Fellbacher Schwabenlandhalle erzählt ein Historienmusical über die Entstehung von »Stille Nacht«
Die Zeiten ändern sich, die Menschen ändern sich, jede Generation feiert ihre Feste ein wenig anders als die Eltern. Und doch gibt es ein paar Rituale, in die selbst die hippen Enkel ganz ohne Smartphone Hilfe einstimmen: »Happy Birthday to you« gehört dazu, das Vaterunser – und »Stille Nacht«.
Wo die Halloween-Geister unserem guten alten Erntedankfest schon lang den Rang abgelaufen haben, da behauptet sich das alte Weihnachtslied hartnäckig gegen »Jingle Bells« und das rotnasige Rentier. Die schlichte, schöne Melodie und der Text von der »himmlischen Ruh« symbolisieren noch heute die Sehnsucht nach Frieden, nach einer besseren Welt. Man hat den fallenden Schnee vor Augen, die Stille des Weihnachtsabends. Den Text gibt es in über 300 Sprachen und Dialekten, seit 2011 gehört »Stille Nacht« offiziell zum immateriellen Weltkulturerbe der Unesco, sogar Papst Franziskus singt dieses Weihnachtslied am liebsten:
Ein Lied für die Ewigkeit also, ein »Notenblatt des Himmels«, wie der Untertitel des österreichischen Musicals heißt, das am 12. und 13. Dezember in der Schwabenlandhalle gastiert. Mitten hinein in die Vorweihnachtsstimmung erzählt es die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte dieses Klassikers. Denn »Stille Nacht« ist nicht etwa aus alten Volkslied-Zeiten überliefert, sondern seine Uraufführung lässt sich ganz konkret datieren: Am Heiligabend 1818 erklang das Lied zum ersten Mal in der Schifferkirche in Oberndorf bei Salzburg, gesungen von seinen beiden Autoren. Hilfspfarrer Joseph Mohr hatte dem Organisten der Kirche, dem Schullehrer Franz Xaver Gruber, ein Gedicht gegeben, das er wenige Jahre zuvor geschrieben hatte, und bat ihn, eine Melodie dazu zu komponieren.
Bei der Christmette sangen sie ihr Werk zum ersten Mal, Mohr begleitete mit der Gitarre und sang als Tenor die erste Stimme, Gruber als Bariton die zweite. Wahrscheinlich, so nimmt man an, sangen sie ihr Lied nicht während der Liturgie, sondern bei der Andacht an der Krippe, deshalb die Gitarre statt der Kirchenorgel.
Das österreichische Musical entstand zum 200. Geburtstag von »Stille Nacht« vor vier Jahren. Buch und Texte stammen vom Schriftsteller Hans Müller, er war Bergläufer, Skilehrer, Extrembergsteiger, Lehrer in einsamen Bergschulen, preisgekrönter Jugendbuchautor und Verfasser von Büchern über Grönland, die Anden, das Klettern. Er dichtet noch immer in Mundart und in Schriftsprache. Die Musik hat Georg Stampfer geschrieben, Komponist, Dirigent und Spezialist für Alte Musik, der nebenbei auch noch Beleuchtungstechnik ür die Opernbühne gelernt hat. Als enger Mitarbeiter des Bühnenbildners Günther SchneiderSiemssen wurde Stampfer zum Lichtkünstler, der mit seinen Designs und Lichtshows große Events inszenierte – davon ist nun auch die Inszenierung von »Stille Nacht geprägt«. Gemeinsam mit Hans Müller komponierte Stampfer bereits die Musicals »Pankratz«, »Sissi« und »Seerosenfieber«, alle mit österreichischen Stoffen.
Mit aufwendigen Projektionen zeigt ihr Weihnachtsmusical die Entstehung von »Stille Nacht« und den Weg der Melodie zu ihrer heutigen Bekanntheit. Oberndorf liegt an der Grenze zu Bayern am Ufer der Salzach, die Schifferkirche war das Gotteshaus der armen Schiffer, die ihre Waren auf dem Fluss nach Passau transportieren. Auf Trümmern dieser Kirche, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch Hochwasser schwer beschädigt wurde, steht nun die Stille-Nacht-Kapelle zum Gedenken an die Entstehung des Liedes. Zunächst verbreiteten wohl fahrende Händler aus dem Zillertal das Lied, indem sie es auf den Weihnachtsmärkten sangen, so auch in ganz Deutschland und dort vor allem in Leipzig.
Wichtig sind dabei die beiden Gesangsensembles der Geschwister Rainer und der Geschwister Strasser aus Tirol, die zur Mitte des 19. Jahrhunderts das österreichische Liedgut in die Welt hinausbrachten – man darf sich eine gewisse Ähnlichkeit mit der berühmten Trapp-Familie vorstellen, die wir aus dem Musical »The Sound of Music« kennen, das ja ebenfalls in Salzburg spielt. Tatsächlich spielte »Stille Nacht« zur Zeit der TrappFamilie auch eine politische Rolle, nämlich im Zweiten Weltkrieg. Die Alliierten wollten nach einem Sieg über Hitler Österreich einfach bei Deutschland belassen, dagegen wehrten sich die geflüchteten Österreicher und vor allem der Journalist Leopold Kohr, der direkt aus Oberndorf stammte. Er nutzte in den amerikanischen Zeitungen den Ruhm und das Weihnachtspathos von »Stille Nacht«, um die kulturelle Eigenständigkeit seines Heimatlandes anzupreisen und Österreichs Unabhängigkeit nach dem Krieg zu fordern. Angela Reinhardt
Stille Nacht – Ein Notenblatt des Himmels 12. und 13. Dezember, jeweils 20:00 Uhr Schwabenlandhalle Fellbach Karten für Mitglieder: 20 - 29 €