Stummfilm und Musik
Stuttgarter Philharmoniker mit Filmklassikern in der Liederhalle:
"Das Weib des Pharao" und "Das Cabinet des Dr. Cagliari"
Termine: 19. November 2022/ Beethovensaal, 25. November 2022/ Beethovensaal
Anfang der 20er Jahre begannen renommierte Komponisten damit, Stummfilmmusik sorgfältig auszukomponieren. So auch der Operettenkomponist Erduard Künneke. Er beschreibt in einem Brief seine Arbeit zu dem Film „Ein Blumenwunder“ von 1926 und beleuchtet darin auch die Aufführungspraxis: „[…] Da es 78 Blumen waren (ich habe mir hinterher die Mühe gemacht, sie zu zählen), war es notwendig, einen Musiker zu finden, der so viele Themen übrig hatte oder sie in drei Wochen zu erfinden willig und fähig war. Die Wahl fiel auf mich und ich stimmte begeistert zu. […] Die erste Aufführung war nicht ohne Reiz, sie fand unter der Leitung von zwei Kapellmeistern statt, einem der dirigierte und einem, der die Tempi und Übergänge soufflierte. Und so kamen wir einigermaßen hin.“(Brief an Franz Marszalek, 31. März 1951, Quelle: Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Eduard-Künneke Archiv , Sign. 814)
Eduard Künneke komponierte auch die Musik zu dem Spielfilm „Das Weib des Pharao“ von Ernst Lubitsch (1922). Der monumentale Historienfilm, gedreht in Berlin und Außenschauplätzen in der Umgebung in originalgroßen Kulissen, sollte Ernst Lubitschs Eintrittskarte für Hollywood werden. Er erzählt die Geschichte der griechischen Sklavin Theonis, die ungewollt einen Krieg zwischen Ägypten und Äthiopien auslöst, nachdem sie aus der äthiopischen Sklaverei geflohen ist und sich der Pharao in sie verliebt hat. Die Stuttgarter Philharmoniker begleiten den Film mit der Originalmusik von Künneke am 19. November in der Stuttgarter Liederhalle.
Dort wird am 25. November auch der Stummfilmklassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (R: Robert Wiene, 1920) mit Musikbegleitung zu erleben sein. Der wohl berühmteste Film der Weimarer Republik, dessen grafischer Stil zum Synonym für Expressionismus wurde, entstand im Nachkriegsberlin. Für die Bauten und vor allem für die Dekors und die Schatten ist der Kunstmaler Walter Röhrig zusammen mit dem Filmarchitekten Hermann Warm und dem Maler Walter Reimann verantwortlich.
Dem Spiel von Licht und Schatten entspricht das inhaltliche Verwirrspiel: Tagsüber stellt Caligari auf dem Jahrmarkt den Schlafwandler Cesare aus, einen jungen Mann, der Schaulustigen gleichsam unter Trance die Zukunft voraussagt. Nachts geistert Cesare durch die Straßen und begeht grausame Morde, die die ganze Stadt ist in Aufruhr versetzt. Als sein Freund Alan ermordet wird, startet der junge Student Francis auf eigene Faust Ermittlungen, die ihn in eine Nervenheilanstalt führen. Dort ist Caligari der scheinbar völlig normale Direktor. Hat Francis am Ende den Verstand verloren - oder ist doch Caligari der Wahnsinnige? Darauf gibt der Film keine Antwort.
Als „Das Cabinet des Dr. Caligari“ im Jahr 1920 uraufgeführt wurde, geschah dies ohne Originalmusik, der Film wurde mit einer Auswahl von Repertoirestücken begleitet. Kurze Zeit später erschien er mit einer Musik von Giuseppe Becce, bestellt von dem einflussreichen Filmmanager Erich Pommer. Becce galt als virtuoser Komponist und Arrangeur, der geschickt Musikstile anderer Genres und Epochen imitieren konnte. Inzwischen sind etliche neue Kompositionen zu der restaurierten Fassung des Films entstanden. Die Stuttgarter Philharmoniker begleiten den Film mit der 2011 eigens für den Film komponierten Musik von Stéphane Fromageot.
Jutta Schäfer